Russland steht wirtschaftlich am Scheideweg. Nach Jahren kriegsbedingten Wachstums droht dem Land nun eine Rezession. Die zivilen Sektoren stagnieren, die Inflation steigt, und die Folgen der westlichen Sanktionen werden immer spürbarer.
Massive Aufrüstung als kurzfristiger Wachstumstreiber
Seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 wurde das russische Wirtschaftswachstum vor allem durch massive Rüstungsausgaben und staatliche Programme gestützt. Der zivile Sektor hingegen stagniert seit über einem Jahr, wie aktuelle Analysen bestätigen. Das Wachstum der vergangenen Jahre basiert fast ausschließlich auf der Aufrüstung und den gestiegenen Ausgaben für Militär und Sicherheit.
Zivile Wirtschaft in der Krise
Offizielle Statistiken suggerieren zwar noch Stabilität, doch das reale Wirtschaftswachstum liegt im negativen Bereich. Der zivile Sektor befindet sich laut regierungsnahen Thinktanks und unabhängigen Analysten bereits in einer Rezession. Die russische Statistikbehörde Rosstat meldet, dass die industrielle Produktion außerhalb der Rüstungsindustrie seit Ende 2023 stagniert oder rückläufig ist.
Inflation und sinkender Lebensstandard
Die Inflation ist mit offiziell 9,6 Prozent hoch, bei Lebensmitteln wie Kartoffeln, Zwiebeln und Kohl sind die Preise im Jahresvergleich um bis zu 200 Prozent gestiegen. Für viele Russinnen und Russen ist das Grundnahrungsmittel Kartoffeln kaum noch erschwinglich. Bei einem Durchschnittseinkommen von rund 1.000 Euro vor Steuern und Renten von etwa 200 Euro pro Monat ist der Preisanstieg existenzbedrohend. Der Lebensstandard sinkt spürbar.
Zinspolitik und Investitionsstau
Der russische Leitzins liegt aktuell bei 20 Prozent, was Investitionen massiv erschwert. Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow warnte auf dem Petersburger Internationalen Wirtschaftsforum offen vor einer möglichen Rezession und kritisierte die restriktive Geldpolitik der Zentralbank. Investitionen könnten im zweiten Halbjahr 2025 unter das Vorjahresniveau fallen, was die Wirtschaft zusätzlich belastet.
Schrumpfende Einnahmen und fiskalische Risiken
Die Einnahmen aus Öl-, Gas- und Kohleexporten sind infolge westlicher Sanktionen und fallender Rohstoffpreise deutlich gesunken. Der Staatsfonds (National Wealth Fund) wird zunehmend angezapft und könnte in den kommenden zwei Jahren erschöpft sein. Die Abhängigkeit von undurchsichtigen Finanzierungen und schrumpfenden fiskalischen Puffern erhöht das Risiko einer Banken- und Haushaltskrise.
Offizielle Zahlen unter Verdacht
Internationale Experten und die Europäische Kommission bezweifeln die Zuverlässigkeit der russischen Wirtschaftsdaten. Viele Indikatoren, wie das tatsächliche Haushaltsdefizit und die Kreditvergabe im Bankensektor, deuten auf eine deutlich schlechtere Lage hin, als von Moskau angegeben. Die strukturelle Fragilität nimmt zu, und die Zeit arbeitet laut EU-Analysen nicht für Russland.
Perspektive: Sackgasse Kriegswirtschaft
Ohne eine grundlegende Modernisierung und Diversifizierung droht Russland, wirtschaftlich und geopolitisch in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen. Die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen – Russlands wichtigster Export – wird in den kommenden Jahren weiter sinken. Die aktuelle Strategie der Kriegswirtschaft verhindert nachhaltiges Wachstum und verschärft die strukturelle Krise.
Die Gefahr einer Rezession ist so groß
Russlands Wirtschaft steht vor einer Zäsur. Die kurzfristigen Effekte der Kriegswirtschaft sind aufgebraucht, zivile Sektoren stagnieren oder schrumpfen, und die Bevölkerung leidet unter hoher Inflation und sinkendem Lebensstandard. Die Gefahr einer Rezession ist so groß wie seit Jahren nicht mehr, und ohne grundlegende Reformen droht dem Land ein wirtschaftlicher Abstieg.